AHK debelux spricht mit dem deutschen Botschafter Ullrich Wilhem Klöckner über die Erfahrungen des letzten Jahres und die aktuelle Situation in Luxemburg.
Im September 2020 trat Ullrich Wilhelm Klöckner sein Amt als deutscher Botschafter in Luxemburg an. Kurz vor dem zweiten Lockdown war dies keine einfache Zeit, um Land und Leute kennenzulernen.
Nach drei Posten in Afrika sind Sie nun wieder zurück in Europa. Fällt Ihnen die Umstellung schwer?
Es ist eine große Umstellung. Ich war zwar lange Jahre in der Zentrale des Auswärtigen Amtes in Bonn und Berlin tätig, aber nie in Europa auf Posten. Meine Frau und ich hatten vielmehr elf spannende und großartige Jahre in Afrika. Die letzten zwei Jahre im Sudan waren jedoch aufgrund eines gewaltsamen Umsturzes sehr hart.
Der Wechsel nach Luxemburg war daher für uns sehr willkommen. Wir sind hier sehr freundlich empfangen worden. Es besteht in Luxemburg ein großes Interesse an Deutschland, meine Gesprächspartner/innen sind bestens informiert. Der Austausch zwischen beiden Ländern ist sehr eng und das schafft beste Voraussetzungen für ein interessantes und angenehmes Arbeitsumfeld. Nach den Jahren in Afrika fällt lediglich die Gewöhnung an Winter und Regen schwer.
Was gefällt Ihnen besonders an Luxemburg?
Ich kannte Luxemburg nur von Ratstagungen, zu denen ich aus Bonn und Berlin im Laufe der letzten 30 Jahre häufig angereist bin. Ich bin sehr positiv überrascht, was hier in dieser Zeit aufgebaut wurde. Entstanden ist ein Kraftzentrum für die gesamte Region, das auch auf Deutschland ausstrahlt. Luxemburg bietet auch vielen Deutschen hochwertige Arbeitsplätze und ist sehr erfolgreich darin, den geschaffenen Wohlstand durch kluges Investment aufrecht zu erhalten und sich immer wieder neu zu definieren.
Ich finde es sehr spannend, den Finanzplatz Luxemburg kennenzulernen. Hier ist man dabei, sich in Richtung „green investment“ neu zu orientieren, um die Fonds nachhaltiger zu gestalten. Gleichzeitig wird in Luxemburg in zukunftsweisende Technologien investiert, z. B. die Raumfahrt. Das alles zeigt, dass sich Luxemburg nicht auf dem ausruht, was in den letzten 30 Jahren geschaffen wurde, sondern in die Zukunft denkt. Damit werden auch die Grundlagen dafür gelegt, weiterhin eine Drehscheibe der Region zu bleiben. Ich bin zudem sehr interessiert daran, auch mit den europäischen Institutionen auf dem Kirchberg einen engen Austausch zu pflegen.
Wie erlebten Sie die Covid-bedingten Einschränkungen zu Beginn ihrer Amtszeit?
Es war kein optimaler Einstieg, meine Arbeit ist sehr eingeschränkt. Wenn man als Botschafter einen neuen Posten antritt, ist es die wichtigste Aufgabe, Land und Leute kennenzulernen, insbesondere die handelnden Personen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Das geschieht üblicherweise über persönliche Gespräche, aber gerade auch über kurze Treffen auf zahllosen Veranstaltungen. Als ich im September meine Arbeit begann, schien die Pandemie zu einem Ende zu kommen. Aber bereits im Oktober kam der zweite Lockdown, kulturelle und andere Veranstaltungen waren nicht mehr möglich. Alle Treffen können zur Zeit nur virtuell oder allenfalls unter vier Augen stattfinden. Das erschwert es deutlich, auf Gesellschaft und Politik zuzugehen. Videokonferenzen haben ihre Vorteile, aber gerade wenn man jemanden zum ersten Mal trifft, ist dies kein geeignetes Instrument. Dabei ist Luxemburg ein Land, dass gerade dem deutschen Botschafter sehr offen gegenübersteht.
Und wie ergeht es Ihnen heute rund 100 Tage nach Amtsantritt?
Ich freue mich, dass ich inzwischen schon eine Reihe der wichtigsten Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft und Kultur treffen konnte. Aber es fehlt der kontinuierliche persönliche Austausch bei den vielen Veranstaltungen, die ein Markenzeichen von Luxemburg in normalen Zeiten sind. Als Botschaft haben wir versucht, im virtuellen Bereich kreative Möglichkeiten zu finden. Allerdings bemerken wir eine gewisse Müdigkeit, an videobasierten Veranstaltungen teilzunehmen. Wir hoffen, dass man sich bald wieder gemeinsam persönlich treffen kann. Aber es lässt sich nicht ändern und ich habe gerade in Afrika gelernt, mich in Geduld zu üben.
Wann rechnen Sie wieder mit einem „normalen“ Leben?
Luxemburg hat ein sehr ambitioniertes Impfprogramm, das jetzt richtig Fahrt aufnimmt. Ich hoffe, dass sich zu Beginn des Sommers die allgemeinen Bedingungen so verändert haben, dass wir auch zum normalen diplomatischen Alltag zurückkehren können. Ich möchte gern das lebendige Luxemburg mit all seinen hochwertigen kulturellen Veranstaltungen, seinem herausragenden kulinarischen Angebot und vor allem seinem reichhaltigen intellektuellem Austausch erleben. Ich hoffe, dass dann auch endlich Veranstaltungen in meiner Botschafterresidenz möglich sein werden.
Wie sieht der Arbeitsalltag in der Botschaft aktuell aus, gibt es Einschränkungen der Servicebereiche?
Wir haben das Homeoffice sehr früh eingeführt - noch im letzten Herbst. Ab November haben wir die Präsenz in der Kanzlei abgebaut, in dem wir die Botschaftsmitarbeiter in zwei Teams aufteilen, die täglich abwechselnd in der Botschaft bzw. von zu Hause aus arbeiten. Das Auswärtige Amt legt großen Wert darauf, alle Möglichkeiten zum Schutz vor Infektionen auszuschöpfen. Wir sind bis jetzt glücklicherweise ohne Ansteckung durch die Krise gekommen.
Die Zahl der Fälle, die wir in unserer Konsularabteilung bearbeiten können, haben wir reduzieren müssen. Unter Corona-Bedingungen können wir leider aufgrund der räumlichen Gegebenheiten immer nur eine Person empfangen. Dadurch ist der Durchlauf sehr viel geringer als früher. Aber wir tun unser Bestes, um keine allzu langen Verzögerungen aufkommen zu lassen. Wir wollen die Konsularabteilung unter keinen Umständen schließen, denn insbesondere bei den Passanträgen gibt es eine große Nachfrage.
Welche Ziele haben Sie sich für dieses Jahr gesetzt und wie blicken Sie auf 2021?
Wir haben uns eine Menge vorgenommen, aber wir müssen sehen, was davon realisierbar ist. Im Bereich Wirtschaft haben wir mit der Luxemburger Handelskammer verabredet, wenn möglich die jährliche deutsch-luxemburgische Wirtschaftskonferenz im Juli durchzuführen. Wir hoffen, hierfür einen deutschen Bundesminister zu gewinnen und bis dahin die Konferenz als Präsenzveranstaltung mit großer Teilnahme organisieren zu können. Hilfsweise würden wir wohl auf ein Hybrid-Format ausweichen.
Auch mit der Deutsch-Luxemburgischen Wirtschaftsinitiative und dem Goethe-Institut sind Veranstaltungen geplant. Auch hier müssen wir schauen, welches Format möglich wäre. Gerade im kulturellen Bereich ist es wichtig, dass die Veranstaltungen nicht nur virtuell stattfinden, sondern dass man die Künstler/innen live mit Publikum erleben kann.
Ich denke, wir müssen im Augenblick noch eine gewisse Geduld aufbringen und auf Sicht fahren. Letztes Jahr um diese Zeit waren wir uns alle sehr sicher, dass wir in einem Jahr wieder ein ganz normales Programm fahren können. Das ist nicht so gekommen.
Das Großherzogtum hat das Coronajahr 2020 wirtschaftlich besser abgeschlossen als seine Nachbarn. Woran liegt das?
Luxemburg steht vor den gleichen Herausforderungen wie seine Nachbarländer. Auch wenn die Lockerungen weitgehender sind als in Deutschland, sind die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft sehr stark. Der Dienstleistungsbereich hat im Grunde ein ganzes Jahr verloren. In Luxemburger blieben Geschäfte und Gastronomie zwar länger offen, als das z. B. in Deutschland der Fall ist. Aber dennoch sind gerade hier die Verluste massiv.
Tatsächlich ist aber in Luxemburg der gesamtwirtschaftliche Einbruch nicht so stark ausgeprägt wie in den Nachbarländern. Die liegt u. a. daran, dass sich einige Branchen trotz Corona weiterentwickeln konnten. Gerade der Finanzsektor wurde nicht so hart getroffen, wie zunächst befürchtet. Auch die Industrieproduktion lief ohne tiefgreifende Unterbrechungen weiter. Dank dieser starken Stützen kam man vergleichsweise gut durch die Krise.
Vor welchen Herausforderungen steht Luxemburg aktuell?
Luxemburg hat, wie alle EU Länder, ein enormes finanzielles Hilfsprogramm zur Bekämpfung der Krise aufgelegt, das, auf die Bevölkerungszahl umgerechnet, einen ähnlichen Umfang hat wie in Deutschland. Damit hat sich da Land ebenso wie seine Nachbarn erheblich verschuldet. Nun herrscht natürlich auch hier die Sorge, ob damit die Wirtschaft auch wirklich stabilisiert werden kann und ob man damit nicht künftigen Generationen zu stark belastet.
Und wie in Deutschland gibt es auch in Luxemburg eine sehr intensive und emotionale Diskussion darüber, welche Auswirkungen die Pandemie auf das Bildungswesen hat. Auch hier sieht man die möglicherweise auch langfristigen Schäden, die Schulschließungen bei Kindern auslösen können. Zugleich sind die Schulen aber eben auch erhebliche Infektionsherde.
Wie sieht die Corona-Bekämpfung derzeit aus in Luxemburg?
Die Zahlen sind momentan erfreulich stabil, aber auf hohem Niveau. Luxemburg hat bei der Pandemiebekämpfung einen etwas anderen Ansatz gewählt als Deutschland. In Deutschland versucht man, die Pandemie mit möglichst niedrigen Inzidenzen unter Kontrolle zu bekommen. In Luxemburg ist man der Auffassung, dass dies auch bei einer höheren Inzidenz mit breitem Testen und konsequenter Nachverfolgung möglich ist. Dieser Ansatz erlaubt Lockerungen im Alltag. Bis jetzt scheint dies zu funktionieren. Welcher Ansatz am Ende besser geeignet ist die Pandemie einzudämmen und zu beenden, werden wir aber erst in der Zukunft wissen. Wir hoffen durch das Impfen auf ein baldiges Ende der Pandemie.
Wie hat es Luxemburg geschafft, die dieser Pandemie so offen zu bleiben – nach innen und nach außen?
Luxemburg hat den großen Vorteil, dass sein Gesundheitssystem größtenteils bereits vor der Pandemie digitalisiert und zentralisiert war. Hier wurde das „Large Scale Testing“ früh eingeführt, das regelmäßig einen guten Überblick über die aktuelle Pandemielage im Land gibt. Dieser Überblick erlaubt dann auch Öffnungen vorzunehmen. Täglich kommen zudem zehntausende Pendler/innen ins Land. Nach jetziger Luxemburger Einschätzung vergrößern diese Pendlerströme die Ansteckungsrisiken nicht wesentlich und sollten daher auch nicht unterbrochen werden.
Gehen viele Anfragen zum Thema Corona- und Einreisebestimmungen bei der Botschaft ein?
Ja, wir haben viele Anfragen zu den Bestimmungen über die Einreise nach Deutschland. Luxemburg wurde in der Pandemie zwei Mal als Risikogebiet eingestuft und ist es heute noch.
Das erste Mal geschah dies im März 2020. Die damaligen Kontrollen, die zu langen Schlangen der Pendler/innen an den Grenzen führten, wurden in Luxemburg als ein großer Schock empfunden. Mittlerweile hat sich die Lage normalisiert und in der Grenzregion wurden Lösungen gefunden, wie man mit den wechselnden Situationen umgeht.
Offene Grenzen waren für Luxemburg ein essentieller Faktor?
Für Luxemburg ist es eine ganz existentielle Frage, dass die Grenzen offenbleiben – allein schon aufgrund der Größe und Lage des Landes.
Im Augenblick haben wir, wie gesagt, eine Lösung gefunden, mit der alle Seiten gut leben können. Sollte sich die Situation nochmals verschärfen, besteht ein enger Austausch zwischen beiden Seiten, wie man darauf reagieren könnte, ohne dass man die Pendlerströme wesentlich beeinträchtigen würde.
Luxemburg hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der freie Verkehr von Bürgern und Waren eine der wichtigsten Errungenschaften der EU ist und dass man dies nicht in einem Federstrich aufheben kann. Aus diesem Grund war der Protest im letzten Jahr so groß. Diese Botschaft ist in Deutschland angekommen. Der freie Verkehr von Waren und Personen ist ein enorm hohes Gut, dass wir alle schützen und nur in Ausnahmefällen einschränken wollen.
Die Bundesrepublik wird sich aber auch weiterhin das Recht vorbehalten, Einreisebeschränkungen vorzunehmen, wenn sich erhebliche Differenzen in den Inzidenzen beider Länder ergeben. Dies ist nach unserer Auffassung von den europäischen Verträgen abgedeckt und wurde ja auch kürzlich an den Grenzen zu Frankreich und den Niederlanden so gehandhabt.
Aber wir haben großes Verständnis für die Luxemburger Position und werden gegebenenfalls Lösungen finden, die auf die berechtigen Interessen der Luxemburger Seite Rücksicht nehmen. Wir haben verstanden, dass man nicht einfach durch Grenzschließung in das Zusammenleben in der Großregion eingreifen kann. Hier hat sich in den letzten 50 Jahren ein großartiges und einmaliges Netz sehr enger Kontakte über alle Grenzen hinweg entwickelt, das in der Pandemie nicht zerstört werden darf.
Vielen Dank, Herr Klöckner, für das Gespräch.