Ein Londoner Gericht hält die von einem Private-Equity-Fonds erworbenen Schuldtitel in Millionenhöhe zwar für legitim, die Republik Kuba selbst aber nicht für haftbar.
In einem richtungsweisenden Streit um einen Teil seiner Altschulden, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, hat ein britisches Gericht ein Urteil gesprochen, das beide Seiten als Sieg werteten. Der High Court of England and Wales in London entschied am Dienstag, dass der Private-Equity-Fonds CRF I Limited eine unbezahlte Schuld von der kubanischen Nationalbank (Banco Nacional de Cuba, BNC) rechtmäßig erworben hat, und nahm gleichzeitig den kubanischen Staat aus der Verantwortung.
Der Fonds hatte Kuba und die BNC verklagt und fordert die Zahlung von rund 72 Millionen Euro für zwei Darlehen und überfällige Zinsen. Nachdem eine außergerichtliche Einigung 2018 nicht zustande kam, landete der Fall im Jahr 2020 vor dem britischen Gericht. Die kubanische Zentralbank (Banco Central de Cuba, BCC) bezeichnete CRF vor Beginn des Prozesses als „Geierfonds“ und behauptete, dieser habe die Schuldtitel unrechtmäßig erworben und dabei sogar einen hochrangigen Bankangestellten bestochen. Auch fungiere die Schuldnerin BNC nicht mehr als Zentralbank. Die BCC war 1997 gegründet worden und hatte viele der Funktionen der BNC übernommen.
CRF wies die Vorwürfe zurück. Man habe jahrelang versucht, mit Kuba über eine Umstrukturierung seiner Schulden zu verhandeln, ohne eine Antwort zu erhalten. Der Fonds war 2009 auf den Kaimaninseln gegründet worden, um in notleidende kubanische Staatsanleihen zu investieren. Er ist heute Kubas größter privater Gläubiger und verfügt über ein Anleiheportfolio, das sich 2017 auf 1,2 Milliarden Euro belief.
Richterin Sara Cockerill befand nun, dass CRF die in der Klage behandelten Schuldtitel rechtmäßig von der ICBC Standard Bank, einer britischen Tochtergesellschaft der chinesischen Bank ICBC, erworben hat. Zugleich stellte sie aber fest, dass die BNC nicht mehr den kubanischen Staat vertritt. Infolge des Urteils ist die Republik Kuba, die CRF als „Bürge“ für die Schulden verklagt hatte, nicht mehr Teil des Gerichtsverfahrens. Laut Richterin Cockerill ist CRF berechtigt, die Zahlung der Schulden von BNC zu fordern, aber nicht vom kubanischen Staat. Das ist durchaus von Bedeutung, da im Fall einer Urteilsvollstreckung Vermögenswerte im Besitz der kubanischen Regierung, wie Öltanker, Flugzeuge oder Bankkonten, von einer Beschlagnahmung zur Begleichung der Schulden ausgenommen sind.
Die kubanische Seite feierte den Richterspruch als Erfolg. „Republik Kuba gewinnt Rechtsstreit in London: CRF ist kein Gläubiger des kubanischen Staates“, titelte die Tageszeitung Granma. Und Präsident Miguel Díaz-Canel schrieb auf Twitter: „Kuba hat auch in London gewonnen. Wieder einmal haben die Feinde der Nation verloren. Ihre Lügen prallten auf ein professionelles und angesehenes Gericht.“
Aber auch CRF-Vorstandschef David Charters zeigte sich zufrieden und sprach von einem „vollständigen Sieg für die CRF“. Das Gericht habe seinen Fonds als verantwortungsvollen Gläubiger anerkannt. „Die CRF ist nach wie vor bestrebt, mit Kuba eine Lösung zu finden, die den kubanischen Haushalt für mindestens fünf Jahre nicht belastet, und zwar in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land befindet“, so Charters nach dem Verdikt. „Die BNC war die kubanische Zentralbank und ist nach wie vor für die Verwaltung dieser unbezahlten kubanischen Schulden verantwortlich.“
Es wird erwartet, dass CRF die Klage gegen die BNC fortsetzt. Über eine Rückzahlung der Schulden würde dann in einem gesonderten Verfahren entschieden. Zunächst aber geht es wohl in die Berufung. Die Verteidigung der BNC wird das Urteil anfechten, erklärte Kubas Justizminister Oscar Silvera am Mittwoch. Die Frist dafür läuft bis zum 19. Mai. „Wir sind der Meinung, dass sie (CRF, Anm.) kein rechtmäßiger Gläubiger der BNC ist, weil der Akt, mit dem diese Abtretung anerkannt wurde, unrechtmäßig ist“, sagte er.