Nicht nur auf Grund der geografischen Nähe sind die Niederlande nach den USA und Frankreich für Deutschland der wichtigste Handelspartner. Als Hightech-Player und Vorreiter im Bereich Industrie 4.0, als eine der innovativsten Volkswirtschaften der Welt und zweitgrößter Agrarversorger der Welt ist dieses Nachbarland ein auf der Hand liegender Exportmarkt. Doch worauf müssen deutsche Unternehmen beim Sprung über die Grenze achten? Wo lassen sie Potenziale liegen? AHK Niederlande-Geschäftsführer Günter Gülker gibt fünf Insights.
Insight 1: Niederländisch als Eisbrecher
Weltweit sind die Niederländer für ihre Offenheit und Toleranz bekannt – eine Folge der Geschichte als jahrhundertealte Handelsnation und Heimat der verschiedensten Kulturen und Glaubensrichtungen. So leben derzeit allein in Amsterdam Menschen aus mehr als 180 Nationen. Die Historie und liberale Mentalität zeigt sich auch im exzellenten Englisch unserer Nachbarn. Auch wenn viele Niederländer deutsch verstehen, lautet mein erster Tipp: Ein paar einstudierte Worte auf Niederländisch brechen während des ersten Geschäftstreffens jegliches Eis. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihr Gegenüber dann rasch aus Höflichkeit ins Englische wechselt.
Insight 2: Kommunikation unter Geschäftspartnern
Während in Deutschland in der Geschäftskommunikation eine formelle Anrede Standard ist, ist in den Niederlanden das „Du“ unter Geschäftspartnern üblich. Denn anders als in Deutschland drückt das Duzen nicht eine persönliche Nähe aus, sondern bezieht sich eher auf das Alter. So kommt es durchaus vor, dass ein Enkelkind seine Großeltern siezt wohingegen der eigene CEO geduzt wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass deutsche Unternehmer nicht falsche Rückschlüsse ziehen sollten, wenn sie schnell in den Niederlanden mit allen Geschäftspartnern per Du sind – das kann, es muss aber nicht bedeuten, dass bereits eine enge persönliche Beziehung aufgebaut wurde.
Insight 3: Eine andere Unternehmenskultur
Auch innerhalb des Unternehmens sind unsere Nachbarn für ihren lockereren Umgang bekannt. Das zeigt sich in den flacheren Hierarchien: dem eigenen CEO im Meeting wiedersprechen? Und Themen ausdiskutieren, bis jeder im Team die Entscheidung mittträgt? In den Niederlanden keine Seltenheit. Die Kultur der flachen Hierarchien zeigt sich übrigens auch darin, dass Verhandlungen und Businessgespräche oft an Fachabteilungen delegiert werden – damit können sich deutsche Geschäftsführer mitunter vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn sie in dem Glauben anreisen, direkt mit ihrem niederländischen Counterpart sprechen zu werden. Aus niederländischer Sicht hingegen macht es mehr Sinn, dass die Mitarbeiter ein Meeting wahrnehmen, die mehr Einfluss auf den Gang der Verhandlungen haben. Mein Tipp: Einfach im Vorfeld abklären, wer am Meeting teilnimmt. Und zweiter Tipp: mehr „Gezelligheid“. In den Niederlanden wird zu Beginn meist erst einmal ein bisschen zwanglos geplaudert – ganz anders als in der deutschen Meetingkultur, wo man gerne schnell direkt zur Sache kommt.
Insight 4: Offenheit & Zusammenarbeit
Ein weiterer großer Kulturunterschied sind die Offenheit und der Pragmatismus der Niederländer, die sich zum Beispiel bei den bewährten Fieldlabs zeigen. Während ein deutsches Unternehmen sich nur ungern in die Karten schauen lässt und sein Wissen ungern teilt, aus Angst, dieses exklusive Wissen zu verlieren, arbeiten etwa auf dem Campus von Brainport Industries in Eindhoven verschiedene Betriebe und Institutionen zusammen an neuen technologischen Lösungen und an regelrecht nahtlosen Lieferketten.
Insight 5: Potenziale voll ausschöpfen
Obwohl die Niederlande mit ihren rund 18 Millionen Einwohnern ein vergleichsweise kleiner Binnenmarkt sind, ist das Land, Exporte und Importe gemeinsam betrachtet, direkt nach China und den USA der drittwichtigste Handelspartner für Deutschland. Das kommt natürlich durch die räumliche und kulturelle Nähe beider Länder, aber auch durch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. So punkten unsere Nachbarn mit unternehmerfreundlichen Genehmigungsverfahren, günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen und Steuergesetzgebung für ausländische Firmen sowie mit einer gut ausgebauten Logistik und mehrsprachigen, flexiblen Arbeitskräften.
Maschinen, Brennstoffe, medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse sowie Kraftfahrzeuge und elektrotechnische Erzeugnisse sind die Spitzenreiter unter den Exporten. Doch nicht alle Produkte und Dienstleistungen, die in Deutschland gut ankommen, bieten auch zwangsläufig in den Niederlanden gute Marktperspektiven. Für wen lohnt sich der Schritt über die Grenze? Und wie sollte man die Aktivitäten im Nachbarland starten? Engagiere ich einen Vertriebspartner, starte ich mit einem eigenen Vertriebsmanager oder empfiehlt sich die Gründung einer Tochtergesellschaft und wenn ja, in welcher Rechtsform? Das ist unser großer Vorteil als DNHK: Unsere Consultants kennen die Systeme beider Länder – denn auch wenn sich die Gesetze und Vorgaben in den Niederlanden und Deutschland auf vielen Ebenen ähnlich sind und europäische Richtlinien gelten, werden diese eben oft unterschiedlich ausgelegt. Und wir helfen deutschen Unternehmen nicht nur beim professionellen Untersuchen der Marktchancen vorab, sondern unterstützen auch bei Personalsuche, Rechts- und Steuerberatung und Finanzbuchhaltung. Und wir unterstützen dabei, das Potenzial voll auszuschöpfen. Denn oft ist noch mehr drin – auch für die deutschen Unternehmen, die schon viele Jahre in den Niederlanden aktiv sind.
Text: Janine Damm