Die EU-Wahlen rücken näher und näher: Vom 6. bis 9. Juni entscheiden die EU-Bürger über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments und somit über die künftige Weichenstellung der Europäischen Union. Die Gewinner dieser Wahl werden die Verteilung der Spitzenpositionen für wichtige EU-Institutionen wie den Präsidenten der EU-Kommission sowie den Präsidenten des EU-Rates der Staats- und Regierungschefs bestimmen. Welche Parteien treten auf europäischem Niveau an, wer sind die Spitzenkandidaten und was sind aus Sicht der Deutschen und Niederländer die drängendsten Probleme? Ein Überblick.
Profitable EU und Prioritäten
Niederländer und Deutsche sind sich einig, dass ihr Land von der Europäischen Union profitiert. 68 Prozent der Deutschen und 74 Prozent der Niederländer stufen die EU-Mitgliedschaft laut aktuellem Eurobarometer als positiv ein. Eine ähnlich große Mehrheit der beiden Länder sieht konkrete Vorteile, die aus der EU-Mitgliedschaft entstehen.
Bei der Frage nach den Themen, auf die sich die EU-Politiker in der neuen Legislaturperiode fokussieren sollten, nennen sowohl Niederländer als auch Deutsche „Sicherheit und Verteidigung“ an erster Stelle mit je 42 und 43 Prozent. Zentrales Anliegen ist auch Energie und Energiesicherheit mit 32 Prozent in beiden Ländern. Für die Niederländer sind Klimaschutz und europäische Werte wie etwa der Schutz der Menschenrechte mit 37 Prozent von noch größerer Bedeutung. Letztere landen bei den Deutschen gemeinsam mit der europäischen Wettbewerbsfähigkeit auf Platz drei. Gefolgt wird dies von Bildung auf Platz vier. Landwirtschaft, Klimaschutz sowie Demografie und Migration teilen sich den fünften Platz auf der deutschen Prioritätenliste. Auch Niederländer setzen das Thema Migration auf den fünften Platz.
Europaweit stehen soziale Anliegen wie Armutsbekämpfung und der Ausbau des Gesundheitswesens im Vordergrund. Auch Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen nehmen in den anderen EU-Ländern eine größere Bedeutung ein als in Deutschland und den Niederlanden.
Deutschland und die Niederlande wollen wählen
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen und Niederländer haben die Absicht, wählen zu gehen. 72 Prozent der Deutschen und 82 Prozent der NiederländerInnen gaben an, ihre Stimme abgeben zu wollen. Fragt man jedoch, wann die EU-Wahlen stattfinden, gaben 26 Prozent der Niederländer eine falsche Antwort. Und 28 Prozent der Niederländer gaben an, nicht zu wissen, wann die Europawahlen stattfinden. Ähnlich in Deutschland: Mehr als 40 Prozent der Befragten gaben eine falsche oder keine Antwort. Lediglich 38 Prozent der befragten Deutschen konnten das genaue Datum benennen.
Die EU als politisches System
Oberflächlich ähnelt der Aufbau der EU dem der Bundesrepublik Deutschland, doch auf den zweiten Blick sind bedeutende Unterschiede erkennbar. Denn im Gegensatz zum deutschen Bundestag gibt es im EU-Parlament keine Regierungs- oder Oppositionsfraktionen. Vielmehr schließen Sich die Parteienfamilien je nach Anliegen und wechselnden Mehrheiten kurzfristig zusammen.
Die EU-Kommission, geleitet von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, hat das Initiativrecht inne und überwacht die Einhaltung des Europarechts. Im Gegensatz zur deutschen Regierung, die von einer Koalition gebildet wird, spiegelt die Kommission nicht die Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament wider, sondern die der nationalen Regierungen.
Die dritte Institution im Bunde ist der Rat der Europäischen Union, der die Regierungen der Mitgliedsstaaten repräsentiert und sich aus einem Vertreter pro Land zusammensetzt. Gemeinsam mit dem Parlament verabschiedet dieser Gesetze – ein mitunter sehr langwieriger Prozess. Nicht zu verwechseln ist der Rat der EU mit dem Europäischen Rat, welcher aus den Regierungschefs der einzelnen Mitgliedsstaaten besteht und generelle Richtlinien vorgibt.
Parteienfamilien und aktuelle Sitzverteilung
Die aktuelle Fraktionslandschaft im Europäischen Parlament setzt sich aus sieben Gruppierungen, mit insgesamt 656 Abgeordneten zusammen. 49 weitere Abgeordnete sind fraktionslos. Anders als bei nationalen Wahlen sind die einzelnen Parteien in internationalen Parteifamilien angeordnet. Die Europäische Volkspartei (Christdemokraten, EVP) stellt derzeit die größte Gruppierung mit 178 Abgeordneten. Gefolgt von der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) mit 141 Abgeordneten. Renew Europe verfügt derzeit über 101 Abgeordnete, Die Grünen/Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA) über 72 Abgeordnete. Auch die Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) und die Fraktion Identität und Demokratie (ID) sowie Die Linke (GUE/NGL) sind im Parlament vertreten.
Wie die Sitzverteilung nach den Wahlen im Juni aussehen wird, steht noch offen. Gemeinsam treffen das neue Europäischen Parlament und die EU-Kommission bedeutende Entscheidungen und legen den Rahmen für die Wirtschaftspolitik der EU in der kommenden Legislaturperiode fest. Infolgedessen lohnt sich ein Blick auf das aktuelle Eurobarometer des Europäischen Parlaments, das im Vorfeld der Europawahl Meinungsumfragen in allen Mitgliedstaaten zu zahlreichen Sachverhalten erfasst.
Spitzenkandidaten
Bei der Stimmabgabe zur Europawahl entscheiden sich die Wählerinnen und Wähler nicht nur für eine Partei, sondern auch für den oder die dazugehörige Spitzenkandidatin. Für die anstehende Europawahl schicken die deutschen Parteien folgende Kandidaten ins Rennen:
- CDU – Ursula von der Leyen
- CSU – Manfred Weber
- SPD – Katarina Barley
- FDP – Marie-Agnes Strack-Zimmermann
- Die Grünen – Terry Reintke
- AfD – Maximilian Krah
- Die Linke – Carola Rackete und Martin Schirdewan
- Bündnis Sahra Wagenknecht – Fabio di Masi und Thomas Geisel
- Freie Wähler – Christine Singer
Die niederländische Parteienlandschaft hat folgende Spitzenkandidaten beschlossen:
- GroenLinks und PvdA - Bas Eickhout
- D66 - Gerben-Jan Gerbrandy
- NSC - Dirk Gotink
- CDA - Tom Berendsen
- PVV - Sebastiaan Stöteler
- FVD - Ralf Dekker
- VVD - Malik Azmani
Ursula von der Leyen, amtierende Kommissionspräsidentin und Spitzenkandidatin der CDU, wird als Favoritin auf ihr aktuelles Amt gehandelt. Kontroverse besteht jedoch darum, dass sie sich nicht zur Wahl als Parlamentsabgeordnete stellt. Ihr größter Konkurrent ist Nicolas Schmit, ein luxemburgischer Politiker von S&D. Auch der Niederländer Bas Eickhout ist europäischer Spitzenkandidat. Er tritt an für die Parteienfamilie der Grünen/Freie Europäische Allianz.
Text: Vivien Caesar