Die Regierung Rutte sieht die europäische Champions-Strategie Deutschlands kritisch. Statt auf Global Player setzt sie auf Technologie.
Europäische Champions mit staatlicher Unterstützung aufbauen? Diesen vom deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier propagierten Weg sieht die niederländische Regierung kritisch. Ihre Strategie für die Zukunft der europäischen Wirtschaft heißt: Innovationsförderung. Dies geht aus den jüngst vorgestellten Strategien zu China und zum europäischen Wettbewerb hervor.
Grundsätzlich sind sich Deutschland und die Niederlande einig: Auf die aktuellen Herausforderungen durch den Brexit, die Protektionismus-Politik der USA oder die Konkurrenz durch China muss dringend eine gemeinsame europäische Antwort gefunden werden. Doch wie sich Europa zukünftig aufstellen soll, da gehen die Visionen der wirtschaftlich eng verknüpften Nachbarländer auseinander.
Rutte sieht Vorteile vor allem für große Industrie-Länder
„Als mittelständisch geprägte Wirtschaftsnation stehen die Niederlande einer europäischen Champions-Politik zurückhaltend gegenüber“, sagt Günter Gülker, Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer (DNHK). Nur wenige Industriebetriebe kommen in dem kleinen Land für Fusionen zum europäischen Champion – so wie sich das Bundeswirtschaftsminister Altmaier und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire vorstellen – in Frage. „Die Niederlande sehen die Vorteile vor allem bei großen Industrieländern wie Deutschland und Frankreich.“ In dem zehnseitigen Positionspapier der Rutte-Regierung heißt es zudem, dass die strategische Industriepolitik des deutsch-französischen Tandems nicht automatisch Europameister garantiere. Schließlich sei die Fusion von Unternehmen nicht immer erfolgreich gewesen.
Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber den Großmächten zu intensivieren, fordern die Niederlande daher eine intensivere Zusammenarbeit aller EU-Mitgliedsstaaten – und zwar vor allem in den Bereichen Forschung, Innovation und der neuen nachhaltige Technologien. Nur so könne gesichert werden, dass die EU mit Blick auf Schlüsseltechnologien auf dem Weltmarkt nicht ins Hintertreffen gerate und hier in eine Abhängigkeit rutsche, die letztendlich auch ein Sicherheitsrisiko darstelle.
Niederlande wollen mehr Kooperationen bei Forschung
Konkret schlagen die Niederlande vor, die bereits bestehende europäische Plattform „Strategic Forum for Important Projects of Common European Interest“ auszuweiten. Das Forum versucht seit gut einem Jahr, eine europäische Spitzenposition in der Batterietechnik und der Mikroelektronik möglich zu machen. Denkbar wäre laut Finanzminister Wopke Hoekstra eine Erweiterung um die Bereiche Nanotechnologie, künstliche Intelligenz und Biotechnologie. Unternehmen aus diesen Bereichen sollen nach niederländischer Vorstellung dabei nach den Regeln des freien Marktes zusammenarbeiten. Die Rolle der Politik soll sich darauf beschränken, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
„Als Handelsnation sind die Niederlande vom freien Weltmarkt abhängig und stehen daher staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft eher kritisch gegenüber“, fasst DNHK-Geschäftsführer Günter Günter zusammen. Eine Position, die von Unternehmervertretern beiderseits der Grenze geteilt werde, wie Reaktionen auf die Champions-Strategie des deutschen Wirtschaftsministers zeigten. „Es ist zweifelhaft, ob die Politik besser weiß, was die Technologien und Branchen der Zukunft sind“, sagt Günter Gülker und erneuert die Forderung der DNHK an die Politik, sich grenzübergreifend für günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen einzusetzen. „Ein gemeinsamer europäischer Energiemarkt, für den die enge deutsch-niederländische Kooperation ein Vorbild sein kann, könnte die Energiepreise senken. Die europaweite Anerkennung von Bildungsabschlüssen und gemeinsame Bildungsinitiativen sind nötig, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.“
Quelle: DNHK